Die Zahl der Profis in der Seelsorge geht im Bistum stark zurück. Was heißt das für unsere Pfarrei?
Die Personalverantwortliche des Bistums Speyer, Ordinariatsdirektorin Christine Lambrich, hat am 20. Juni 2022 den Pfarrei- und Verwaltungsräten einen Brief geschrieben. Er informiert über über den massiven Rückgang der Zahl der Seelsorgerinnen und Seelsorger in unserem Bistum.
- Sie kündigt an, dass Stellen nicht nachbesetzt werden können.
- Anfang 2023 wird der Stellenplan angepasst, „lediglich ein Versuch […], den Mangel […] einigermaßen gerecht aufzuteilen“.
- Sie appelliert an die Ehrenamtlichen in den Pfarreigremien: „Überlegen Sie zusammen [mit dem Pastoralteam] in einem guten Geist, welche Veränderungen nun angebracht sind.“
- Auch der Strategieprozess werde nicht zu mehr Personal in den Pfarreien führen.
- Sie fordert uns auf, junge Menschen zum Theologiestudium zu ermutigen.
Unmittelbar wirkt die ausgesprochen enge Personalsituation sich auf unsere Pfarrei, die Dompfarrei Pax Christi, in diesem Sommer glücklicherweise nicht aus: Die Stelle unseres Diakons wird nachbesetzt und außerdem bekommen einen „25%-Kooperator“. Welche Konsequenzen der neue Stellenplan mittelfristig für uns haben wird, kann ich nicht absehen.
Den Appell, gemeinsam Veränderungen in Angriff zu nehmen, möchte ich voll unterstützen. Ich möchte ihn aber auch gerne erweitern. Christine Lambrich weist darauf hin, dass mit weniger Personal das „Angebot“ reduziert werden sollte. Ich verstehe, was sie meint, aber es klingt mir zu sehr nach einer Konstellation von einem Dienstleister, der seinen Kunden erklären soll, wer jetzt nicht mehr beliefert wird. Daher beschwört sie auch den „guten Geist“, damit wir keine Verteilungskämpfe führen. Ich meine, wir sollten uns auf diese Logik gar nicht erst einlassen.
Wir brauchen Profis, die uns (und andere) im aktiven Christsein unterstützen, ermutigen, qualifizieren – und auch korrigieren.
Wir sind allesamt Kirche Jesu Christi und jeder und jede soll mit seinen/ihren Gaben und in seiner/ihrer Position dazu beitragen, dass wir alle – als Gemeinschaft und individuell – die Gute Nachricht bezeugen, feiern, leben. Wir brauchen keine Profis, die uns das, was unser Job ist, als „Angebot“ abnehmen! Wir brauchen Profis, die uns (und andere) im aktiven Christsein unterstützen, ermutigen, qualifizieren – und auch korrigieren. Das ist die Hirtensorge, auf die die Bezeichnung „Pastoralteam“ hinweist. Unser Hirtenteam soll den Überblick haben über die ganze Herde und dabei jedes einzelne Tier im Blick haben. Das ist viel – und noch nicht alles! Genauso nötig ist, dass unserer Seelsorger*innen Muße haben für das Entwickeln von Ideen, für den Austausch und für das Gebet. Das ist möglich, weil das Hirtenteam nicht allein ist: Letztlich hat jede*r Christ*in durch die Taufe alle Anteil an dem einen Hirten, Christus, und ist deshalb mitverantwortlich für das Ganze. Der Pfarreirat ist der kirchenrechtlich vorgesehene „Pastoralrat“ auf der Ebene der Pfarrei – und hat an dieser Hirtensorge ganz offiziell Anteil.
Auf die Frage, um welche Veränderungen es uns, dem Pfarreirat, zusammen mit dem Pastoralteam gehen muss angesichts der begrenzten Arbeitszeit eines überschaubaren Pastoralteams, fallen mir drei Perspektiven ein:
Die Seelsorger*innen von anderen Aufgaben entlasten
Bevor der Pfarreirat unterstützen kann, ist das Pastoralteam selbst gefordert: zu analysieren, wie viel Zeit in Tätigkeiten gesteckt wird, die ihrer Natur nach auch vom Pfarrbüro oder von ehrenamtlichen Kräften übernommen werden können. Dienstpläne für Ministranten schreiben? Die Raumbelegung in einem Gemeindezentrum managen? Dazu braucht man keinen pastoralen Profi. Die Sorge um die Gebäude sollte dem Pfarrer idealerweise nur während der Sitzungen des Verwaltungsrats berühren. Wenn das nicht möglich ist, dann haben wir vielleicht zu viele Gebäude in Relation zu den Menschen, die bereit sind, sich dafür zu engagieren – und angesichts einer Regionalverwaltung, die offenbar nicht so gut unterstützen kann, wie sie sollte. Weil auch die Arbeitszeit der Sekretärinnen begrenzt ist, gehört zu dem ersten Schritt konsequenterweise auch eine Analyse der Büroaufgaben. Das Bischöfliche Ordinariat bietet Unterstützung bei der Erstellung von Aufgabenbeschreibungen. Vielleicht gibt es auch hier Tätigkeiten, die ein Ehrenamtlichenteam übernehmen könnte, etwa die Geburtstagsgeschenke für Senior*innen. Wenn die Analyse geschehen ist, dann können wir gemeinsam überlegen: Wer kann was übernehmen, damit die die Seelsorger*innen frei werden für die Seelsorge? Wofür sich niemand einsetzen will, davon können wir uns wohl trennen.
Ehrenamtlich Tätige befähigen
Wir brauchen ehrenamtliche Arbeit nicht, um ein vordefiniertes oder schon immer bestehendes „Angebot“ aufrechtzuerhalten, sondern weil es zur aktiven Teilnahme (oder treffender: „Teilgabe“) jeder Christin und jedes Christen gehört, seine Begabungen einzubringen. In dieser Hinsicht bleiben wir meines Erachtens weit hinter den Möglichkeiten zurück. Der Rückgang der hauptamtlichen Kräfte kann insofern auch als Chance für ein Umdenken verstanden werden. Vielleicht würde es helfen, bei allem (!), was Seelsorgerinnen und Seelsorger tun, die Frage zu stellen: Wie können andere Menschen sich einbringen, wie können sie an dieses Aufgabenfeld herangeführt werden, für diese Aufgabe qualifiziert werden? Von wenigen, geweihten Personen vorbehaltenen Aufgaben abgesehen, ist grundsätzlich eine zumindest unterstützende Tätigkeit von Ehrenamtlichen möglich und auch sinnvoll. Konsequent beherzigt, könnte dieser einfache Gedanke unser Pfarrleben transformieren. Leicht würde das nicht, weil es erst einmal einfacher ist, etwas selbst zu machen, als andere an diese Aufgabe heranzuführen. Und bestimmt muss man auch erst einmal lernen, wie das geht.
Neben der Ermutigung und Qualifizierung von Ehrenamtlichen zur Aktion ist eine zweite, fundamentalere Ebene nötig, die in unserer Pfarrei ganz unterentwickelt ist: die Gründung und Begleitung von Gruppen, in denen über Glauben und Leben gesprochen wird (Haus-, Familien- oder Bibekreise). Ziel ist die Mündigkeit: Wer sich als aktiver Christ versteht, sollte sprachfähig sein über seinen Glauben – und damit auch einen reflektierten Bezug haben zur Quelle seiner Motivation. Unsere Seelsorgerinnen und Seelsorger können solche Gruppen initiieren und unterstützen. Leiten brauchen sie sie dann nicht.
Gemeinsam und für alle handeln
Damit wir uns nicht verzetteln, brauchen wir eine funktionierende Zusammenarbeit. Das Pastoralteam braucht genug Entlastung für ein wöchentliches Teamgespräch. Es braucht auch genug Entlastung, damit alle Seelsorger*innen immer am Pfarreirat teilnehmen können. Auch eine Teilzeitkraft sollte wirklich mitverantwortlicher Teil des Teams sein und nicht nur bestimmte liturgische Jobs übernehmen. Auch der Kontakt zur kategorialen Seelsorge ist wichtig. Initiativen auf Pfarreiebene müssen im Team und im Pfarreirat kritisch diskutiert werden. Das bricht keinem einen Zacken aus der Krone, sorgt stattdessen für breite Unterstützung und Nachhaltigkeit im Einsatz der Ressourcen.
Gemeindeausschüsse als lokale Koordinations- und Aktionsgruppen leisten einen Dienst für die ganze Pfarrei: Gemeinschaftsbildung braucht eine Ebene der Vertrautheit, wie sie in einer Gemeinde auf der Basis von Nachbarschaft und Bekanntschaft gegeben ist. Aber der Adressatenkreis ist in der Regel größer – und das ist entscheidend. Ein Gottesdienst, eine Veranstaltung in einer anderen Gemeinde als meiner eigenen ist dennoch unser Gottesdienst, unsere Veranstaltung. Wir machen einander deshalb keine Konkurrenz, sondern laden einander ein.
Wenn wir uns bewusst machen, was unserer Pfarrei als Kirche vor Ort ist und sein soll, können wir der Logik des Kampfes um knappe Ressoucen entgehen. So entsteht nicht einfach eine verkleinerte Form unserer bisherigen Pfarrei, sondern eine neue, zukunftsfähige Pfarrei. Gerade weil wir in der Stadt Speyer zunächst noch keine personellen Einbußen haben, sollten wir die die nötigen Schritte jetzt mutig angehen.