Archiv für den Monat: Mai 2024

Zu viele Gottesdienste

Provokant fordert die Pfarrerin Hanna Jacobs daher in Christ & Welt (19/2024): Schafft den Gottesdienst am Sonntag ab! Auch wenn ich das so scharf nicht formulieren würde: die Richtung stimmt. In unserer Stadtpfarrei könnten wir mit weniger, dafür besser besuchten Gottesdiensten mehr Strahlkraft entwickeln.

So lange es noch geht, findet in jeder Gemeindekirche ein Sonntags- und ein Werktagsgottesdienst statt. So lautet der common sense in meiner Pfarrei seit der Fusion vor acht Jahren. Die Frage, ob es noch geht – oder schon nicht mehr, wenn regelmäßig und nicht nur in der Ferienzeit auf Pensionäre zurückgegriffen wird, diese Frage ist vermutlich schon falsch gestellt. Denn die flächendeckende Versorgung mit Gottesdiensten bei teils sehr geringer Zahl der Mitfeiernden hat natürlich ihren Preis: Zeitliche Ressourcen könnten anders eingesetzt werden um Angebote zu entwickeln für Menschen, die auf der Suche sind, aber von einem klassischen Gottesdienst nicht erreicht werden. Jugendgottesdienste? Glaubensgesprächskreise? Gibt es nicht (mehr). Auch für die bestehenden Kerngemeinden könnten weniger, aber besser besuchte Gottesdienste ein Gewinn sein. Erbauend ist es nicht, wenn wenige Menschen sich in einem zu großen Kirchenraum verlieren.

Jacobs analysiert, dass das Festhalten am Standardmodell nicht nur an der Prägung der Pfarrerinnen und Pfarrer liegt:

„Ironischerweise ist das auch ein Symptom des andauernden Schrumpfungsprozesses, denn anhand der Ratio ein ‚Gottesdienst pro Kirche‘ können personelle Ressourcen relativ vergleichbar verteilt werden. Fusionieren zwei Gemeinden, wird penibel darauf geachtet, dass die sogenannte ‚gottesdienstliche Versorgung‘ in allen bestehenden Kirchengebäuden aufrechterhalten wird, und zwar gerecht verteilt. Für Gottesdienste im wöchentlichen Wechsel oder nacheinander fällt dann halt etwas anderes weg, der Kindernachmittag oder das Seniorenfrühstück.“

Um einen Schritt nach vorne zu machen, braucht es daher nicht nur Lernbereitschaft und Phantasie der Seelsorger (Seelsorgerinnen haben wir in unserer Pfarrei bald nicht mehr). Sondern die Gemeinden und ihre Vertreterinnen und Vertreter sind genauso gefordert, beweglicher zu werden und eigene Schwerpunkte zu entwickeln.